Beiträge zum Informationsrecht

Dirk Meinicke

Der Zugriff der Ermittlungsbehörden auf beim Provider zwischengelagerte E-Mails

Nach einer längeren Kontroverse in Rechtsprechung und Schrifttum hinsichtlich der Zulässigkeit eines strafprozessualen Zugriffs auf beim Provider gespeicherte E-Mails des Beschuldigten hat der Zweite Senat des BVerfG mit Urteil vom 16.6.2009 entschieden, dass die entsprechende Maßnahme unter Rückgriff auf die Beschlagnahmevorschriften der §§ 94 ff. StPO erlaubt ist. Bis dahin teilte sich die Diskussion im Wesentlichen in zwei Lager: Teile der instanzgerichtlichen Rechtsprechung sowie des Schrifttums gingen davon aus, dass es sich trotz der dauerhaften Speicherung auf den Servern des Dienstanbieters um einen Eingriff in die Telekommunikationsfreiheit (Art. 10 GG) handelt, der nur unter den Voraussetzungen der §§ 100a f. StPO legitim sei. Die Gegenauffassung hielt den Schutzbereich der Telekommunikationsfreiheit angesichts des Fehlens eines „dynamischen“ Kommunikationsvorgangs im Fall der permanenten Speicherung beim Provider dagegen nicht für eröffnet und insofern die einfachen Beschlagnahmevorschriften für anwendbar. Das BVerfG durchkreuzte dieses Meinungsbild, indem es zwar Art. 10 GG für anwendbar erklärte, jedoch gleichwohl die §§ 94 ff. StPO als ausreichende Ermächtigungsgrundlage qualifizierte.

Obwohl mit dem Karlsruher Judikat scheinbar alle Fragen – zumindest für die Praxis – „geklärt“ sind, formuliert der Verfasser eine Reihe offener Probleme. Es werden die durch den Zugriff der Strafverfolger auf beim Provider gespeicherte E-Mails des Beschuldigten berührten Grundrechte rekonstruiert. Dabei zeigt sich, dass die Entscheidung des Zweiten Senats aus dem Juni 2009 insbesondere zu Friktionen im Hinblick auf das sog. „IT-Grundrecht“ führt, dass der Erste Senat am BVerfG im Jahr 2008 in seiner wegweisenden Entscheidung zur Online-Durchsuchung entwickelt hat. Als Konsequenz daraus ergibt sich die Unzulässigkeit des Zugriffs auf beim Provider gespeicherte E-Mails nach geltendem Strafprozessrecht, da dieses keine hinreichend bestimmte und bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlage enthält. Die dahinterstehenden verfassungsrechtlichen Maßstäbe werden vom Verfasser skizziert. Schließlich geraten Fragen der internationalen Rechtshilfe in den Blick, da E-Mails häufig auf Servern außerhalb des Geltungsbereichs der Strafprozessordnung gespeichert werden.

Bd. 6, VII, 84 S., Edewecht 2013, € 24,80
ISBN-13 978-3-939704-94-2

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