Oldenburger Tagungsbände

Rechtsinformatik und Informationsrecht im Spannungsfeld von Recht, Informatik und Ökonomie

1. Wissenschaftliches Forum für Recht und Informatik

Vorwort

Seit Beginn der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts wird unter der Bezeichnung "Rechtsinformatik" geforscht und gelehrt. Erste Lehrbefugnisse auch für "Rechtsinformatik" gab es 1973, Forschungsstellen - später Institute - für Rechtsinformatik folgten Mitte bis Ende der 70er Jahre und die ersten Lehrstühle für Rechtsinformatik wurden zu Beginn der 80er Jahre eingerichtet. An der Suche nach dem Gegenstand der Rechtsinformatik haben sich von Beginn an viele beteiligt. Zahlreiche Publikationen und Workshops - die Beiträge von Hilgendorf und Pallas in diesem Band nennen einige von ihnen - stellten sich unter Einbeziehung der gesellschaftlichen, technischen, ökonomischen und rechtlichen Rahmenbedingungen immer wieder neu der Aufgabe, die Rechtsinformatik als Disziplin der Rechtswissenschaften zu verorten. Der Rechtsinformatik folgten zur Abgrenzung des Wissenschaftsgegenstands andere Bezeichnungen wie Informatikrecht (Koitz), Informationsrecht (auch schon Mitte der 70er Jahre zuerst bei Steinmüller und Fiedler, Egloff und Werckmeister), Informationstechnologierecht (so die Fachanwaltsbezeichnung) oder kurz IT-Recht. Standen anfangs mehr die rechtstheoretischen Aspekte (etwa zur "Formalisierung des Rechts") im Vordergrund, so dominierten später die sich aus dem Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik ergebenden Rechtsfragen, die es zu beherrschen gilt. Die Frage nach der Abgrenzung der Rechtsinformatik zum Informationsrecht lag nahe und ist bis heute nicht befriedigend beantwortet. Die inhaltlichen Bezugspunkte dieser Disziplin und einen sie beschreibenden Begriff zu finden, fiel also schon immer schwer. Die DSRI und die DGRI beabsichtigten, mit dem "Ersten Wissenschaftlichen Forum für Recht & Informatik" den Diskurs fortzusetzen, und wollten versuchen, Bedeutung und Inhalt von Rechtsinformatik und Informationsrecht aus aktueller Forschungssicht zu erhellen.

Es ist sehr erfreulich, dass sich an der Universität Würzburg auf Anregung von DGRI und DSRI und mit maßgeblicher Unterstützung von Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf Wissenschaftler zusammenfanden, um eine Standortbestimmung zu unternehmen. Die Initialreferate dieser Tagung sind in diesem Bändchen dokumentiert. Sie nähern sich dem Thema in durchaus unterschiedlicher Weise, sprechen das Spannungsfeld und die Verortungsprobleme direkt an (Hilgendorf), bringen durch die Einbeziehung der Neuen Institutionenökonomik die "Neue Rechtsinformatik" in die Diskussion, spüren den Zusammenhängen von Recht und Informatik im Straf- und Strafprozess nach (Kudlich) und thematisieren - ausgehend von der BVerfG-Entscheidung zum Schutz der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme und von der Debatte über den Gegenstand des eGovernment - aus öffentlich-rechtlicher Perspektive, wie Möglichkeiten der Informationstechnik zu Fragen des Rechts überführt werden. Die entlang der Vorträge geführten Diskussionen werden nicht die letzten zum Thema gewesen sein. Manche hier dokumentierte Positionen werden Zustimmung finden, andere weniger. Sie mögen für diejenigen Hochschullehrer, die an ihren Hochschulen Rechtsinformatik, Informationsrecht, Informatikrecht, IT-Recht oder Informationstechnologierecht lehren und hierüber forschen, Anregungen zu neuerlicher Reflexion geben. Reizvoll wäre es, in diesem Kontext auch einmal zu analysieren, womit sich die zahlreichen fachgebietsnahen Organisati-onen wie DGRI und DSRI, der Fachausschuss Rechtsinformatik der GI - bemerkenswerter Weise mit den Untergliederungen u.a. in die Fachgruppen "Juristische Informatiksysteme", "Informationsrecht", "Internetrecht" und "Lehr- und Lernsysteme", die Kongresse des Arbeitskreises für Informationstechnologie (AKIT), der Saarbrücker EDV-Gerichtstag oder das thematisch breit angelegte Rechtsinformatik-Symposium in Salzburg im Kern befassen. Inzwischen haben sich auch einige den Nachfragen aus der Anwaltschaft und der Wirtschaft folgend Studiengänge etabliert, der grundständige Bachelorstudiengang Informationsrecht an der Hochschule Darmstadt, der internationale LL.M.-Präsenzstudiengang EULISP an der Leibniz Universität Hannover, der berufsbegleitende Präsenzstudiengang Informationsrecht an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf und der berufsbegleitende netzgestützte blended learning-Studiengang Informationsrecht LL.M. an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Die Konferenzen und Studiengänge dokumentieren die Anerkennung einer die traditionellen Grenzen juristischer Fächer übergreifenden rechtswissenschaftlichen Spezialisierung als Antwort auf die sich aus dem ITK-Einsatz ergebenden neuen Rechtsfragen. Nur noch wenige hinterfragen die damit verbundenen rechtstheoretischen Aspekte, und wenige arbeiten auch an informationstechnischen Lösungen zur Anwendung in den Rechtswissenschaften.

Alle an der Diskussion Beteiligten eint, dass sie vom Spannungsfeld von Recht und Informatik - unter Einbeziehung ökonomischer Theorien - fasziniert sind. Deswegen freuen uns, mit dem 1. WiFoRI einen kleinen Beitrag zur Debatte geleistet zu haben und danken allen Beteiligten für ihr Engagement.

Prof. Dr. Jürgen Taeger, Oldenburg / PD Dr. Irini Vassilaki, Athen

VIII, 62 S., Edewecht 2009, € 19,80
ISBN-13 978-3-939704-37-9

Buchcover